Lösungsfokus und Problemfokus

Paul.Bayer am 29. May 2010 um 08:11

Wenn wir auf Probleme stoßen, sind wir es gewohnt, die Schwächen und Risiken herauszuarbeiten und Ursachen dafür zu suchen. Die Stärken und Chancen einer Situation übersehen wir dabei oft. Unterschiedliche Arten von Situationen und Systemen erfordern aber unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen. In vielen Situationen ist es besser, sich auf die Stärken und Chancen zu fokussieren, in anderen sollten wir uns – wie gewohnt – auf Schwächen und Risiken konzentrieren.

Hier erweist sich das Cynefin-Modell wieder als äußerst nützliches Hilfsmittel: Im Umgang mit komplexen und chaotischen Situationen (linke Seite des Cynefin-Modells) sind wir besser beraten, auf das zu achten, was funktioniert, auf positive Ansätze und Stärken, auf Ziele und Sinn. Für komplizierte und einfache Systeme und Situationen (rechte Seite) sind wir mit dem gewohnten analytischen Hinterfragen nach Ursachen und Root-Causes gut beraten.

Das Cynefin-Modell in Symbolen

Mark McKergow und Paul Z Jackson haben einen einfachen und wirksamen Coachingansatz entwickelt, der auf Lösungen fokussiert [1]. Ihrem Buch „The Solutions Focus“ ist die nachstehende Gegenüberstellung entnommen [2]:

    Lösungsfokus     Problemfokus
  • Wie sollte es sein?
  • Was ist erforderlich?
  • Was funktioniert?
  • Fortschritt
  • Einfluss
  • Bisherige positive Ansätze
  • Zusammenarbeit
  • Ressourcen & Stärken
  • Einfachheit
  • Aktionen
  • Was läuft falsch?
  • Was muss repariert werden?
  • Wer ist schuld?
  • Kontrolle
  • Bisherige Ursachen
  • Die Experten wissen es am besten
  • Defizite & Schwächen
  • Komplikationen

In komplexen und chaotischen Situationen ist der Lösungfokus am wirksamsten, da er sich auf das konzentriert, was funktioniert und von da aus pragmatisch einen Weg entwickelt. Nach den Ursachen zu fragen, erzeugt in solchen Situationen leicht eine Schulddiskussion und damit Widerstände und Schwierigkeiten. In komplizierten und einfachen Situationen und Systemen ist dagegen der Problem­fokus am wirksamsten.

Die Gegenüberstellung von Problem- und Lösungsfokus macht etwas klarer, in welchen Situationen man wie handeln sollte. Versuchen wir, die Charakteristiken noch deutlicher herauszuarbeiten:

    Lösungsfokus     Problemfokus
  • für komplexe und chaotische
    Situationen
  • „wozu machen wir etwas?,
    wie erreichen wir etwas?“
  • Chancen, Stärken
  • synthetisch, intuitiv
  • experimentell
  • iterativ
  • parallel
  • PDCA, Kaizen, A3
  • für komplizierte und einfache
    Situationen
  • „warum passiert etwas?“
     
  • Risiken, Schwächen
  • analytisch
  • erfahrungs-, wissensbasiert
  • linear
  • sequenziell
  • Problemlösetrichter, 8D

Lösungsfokus und Problemfokus beschreiben zwei Seiten einer Medaille. Jackson und McKergow schreiben, dass das Fokussieren auf eine Seite nicht dazu führen sollte, dass die andere Seite ignoriert wird. Aus Lösungsfokus darf kein Lösungszwang [3], aus Problemfokus kein Problemzwang werden. Beide Seiten zu sehen und in unser Verhaltensrepertoire einzubauen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann man das eine und wann das andere einsetzt, ermöglicht es, flexibler und wirksamer vorzugehen.

Ganzheitliche Vorgehensweisen aus dem Constraints Management (TOC und EKS) oder aus dem Design (z.B. TRIZ oder Idealized Design nach Ackoff) enthalten Elemente aus beiden Seiten. Jede Problemlösung, jedes Lernen besteht aus einer Mischung aus eher problem- und eher lösungsorientierten Ansätzen. Wir müssen dabei wissen, wann wir mehr das eine und wann das andere zum Einsatz bringen.

[1]
vgl. dazu auch die Webseiten zum Lösungsfokus: SFWork und SOLWorld
[2]
Paul Z Jackson & Mark McKergow: The Solutions Focus, Making Coaching and Change SIMPLE.– 2nd ed. 2007, S. 3.
[2]
ebenda S. 123 f

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