Toyotas Mühen, Toyota zu bleiben

Paul.Bayer am 25. November 2007 um 12:00

Die Online Ausgabe der BusinessWeek vom 21.11.2007 hat einen Artikel: Toyota’s All-Out Drive To Stay Toyota.

Welch und Rowley berichten, dass Toyota befürchtet, durch viele neue Mitarbeiter und durch den Generationswechsel im Management die Kultur der Sparsamkeit, Disziplin und ständigen Verbesserung zu verlieren, die entscheidend für seinen Erfolg ist. Deswegen haben sie eine Reihe von Ausbildungsinitiativen gestartet. Shigeru Hayakawa, Präsidet von Toyota Nordamerika sagt: „Wir versuchen alles, um unsere DNS nicht zu verlieren.“ Der Artikel berichtet dann über einige Aspekte dieser Initiativen, die sich demnach hauptsächlich an das Management bei Toyota richten.

In „Toyota and the Power of People“ kommentiert das EvolvingExcellence Blog weitere Artikel der letzten Woche zu den aufgetretenenen Qualitätsproblemen. Darin wird auch über weitere Initiativen von Toyota berichtet: „Toyotas Präsident Katsuaki Watanabe setzte zuletzt zwei Topmanager auf die Qualitätsprobleme in Übersee an, kündigte Pläne zur Einstellung von 8000 zusätzlichen Ingenieuren an, die an diesem Thema arbeiten sollen, und entschied künftig vor der Freigabe mehr Prototypenfahrzeuge anzufertigen. ‚Wir sind sehr besorgt um die Qualitätsthemen’ sagte Toyotas Sprecher Kwong.“

Mit „Staying Paranoid At Toyota“ hatte die BusinessWeek im Juli über dasselbe Thema berichtet: „Wenn es irgend etwas gibt, was ein Unternehmen von Toyota lernen kann, ist es die Kraft der Paranoia. Bekanntlich ist es zwei Monate her, dass Toyota General Motors als weltgrößten Automobilhersteller überrundet hat. Während Detroit blutete, erwirtschaftete Toyota im letzten Jahr einen Rekordprofit von 15 Mrd. $. Trotzdem sind seine Topmanager in Japan und USA besorgt, vom Erfolg zu sehr verwöhnt zu werden. ‚Das bedenklichste Symptom der »Krankheit von Großunternehmen« ist die Ausbreitung von Selbstgefälligkeit‘, sagte Toyotas Präsident Katsuaki Watanabe der BusinessWeek in einem Interview. Deswegen verordnet Toyota sich selbst eine starke Medizin, sowohl gegen die derzeitigen Krankheiten als auch zur Vorbeugung. Das US-Management des Unternehmens hat eben seine weitreichendste Initiative der letzten 50 Jahre gestartet. Unter dem Namen EM2 für ‚Everything Matters Exponentially‘ bedeutet sie eine vollständige Überprüfung der Produktplanung, des Kundenservice, von Verkauf und Marketing und sogar der Händler, die nicht Teil des Unternehmens sind. Gleichzeitig trainiert Toyota von Neuem alle seine Mitarbeiter in den US-Werken. Das Top-Management erwartet ebenso ein Verlangsamen des Absatzes. Das Konzept der ständigen Verbesserung oder von Kaizen bleibt also Teil von Toyotas DNS. Aber die ‚Herausforderung besteht darin, wie diese Paranoia aufrechterhalten werden kann‘, sagt Ranjay Gulati, ein Professor an der Kellogg School of Management im Nordwesten.“

Paranoia oder Hansei?

Wäre Toyotas Haltung wirklich nur „Paranoia“ wie die BusinessWeek meint, könnten sich Toyotas Wettbewerber freuen. Es würde nicht lange dauern bis wesentlich deutlichere Probleme bei Toyota auftreten würden als diejenigen, die sich jetzt beobachten lassen. Aber es handelt sich um „Hansei“, um ein tiefes Erfassen der Situation. Hansei ist eines der im Westen am schwersten zu verstehenden Elemente im Toyota Produktionssystem und in der japanischen Kultur. Es ist Reflektieren des eigenen (Fehl-) Verhaltens oder der eigenen Situation, sich dafür Schämen und Übernehmen von Verantwortung. Hansei ist das Fühlen der eigenen Unvollkommenheit und führt zu Bescheidenheit und zum Willen zur Besserung. Im Westen gibt es das in der Kindererziehung oder in der Psychotherapie und wird bei Erwachsenen nicht als „normal“ angesehen.

In Taiichi Ohnos Workplace Management sind mindestens die Hälfte der Kapitel Hansei, zum Beispiel:

  • Wenn Du im Unrecht bist, gib es zu (2)
  • Falsche Auffassungen verringern die Effizienz (4)
  • Falsche Konzepte im Alltagsverstand (5)
  • Der Schwachpunkt in Kostenkalkulationen (6)
  • Mache Kaizen in guten Zeiten (14)

Ohno behandelt die Schwachpunkte in seinem eigenen Denken und Verhalten. Hansei ist die eigentliche transformative Energiequelle hinter Kaizen. Es bedeutet für Toyota, wenn etwas nicht läuft wie erwartet, in sich zu gehen, zu verstehen und Konsequenzen zu ziehen [1, 2].

Kaizen-Regel 1: Stelle den Ist-Zustand in Frage

„Ein Versteifen auf das gewohnte Denken kann tödlich sein. Kaizen erwartet von uns, über das gewohnte Denken hinauszugehen … auch wenn etwas funktioniert, müssen wir es in Frage stellen und zusehen, wie wir es noch besser machen können.“ [3]

Hier haben wir noch ein Samurai-Prinzip: Kamae, ständige Bereitschaft zum Handeln in jede Richtung, um jederzeit einen Vorsprung zu haben und um gegen jede Überraschung gewappnet zu sein. Das ist es, worum es Toyota in der aktuellen Situation geht, nicht um Paranoia. Um Toyota zu bleiben, muss Toyota sich verändern, sich an die neue Situation anpassen. Wir können auf die Überraschungen gespannt sein, die ihren Initiativen hervorgehen werden.

[1]
zu Hansei in der japanischen Kultur vgl. Hansei Shinosai bei tongodeon
[2]
zu Hansei im TPS vgl. Hansei on Hansei bei GembaPantaRei.
[3]
vgl. Die zehn Kaizen-Regeln

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2 Kommentare zu “Toyotas Mühen, Toyota zu bleiben”

  1. Paul.Bayer

    Mark Graban vom Lean-Blog hat einen Artikel zum selben Thema.

  2. Paul.Bayer

    Matthew E. May hat jetzt einen schönen Artikel über Hansei im Openforum.

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