Schutzkapazität

Paul.Bayer am 21. June 2010 um 08:02

In physischen Arbeitssystemen mit Fluss von Arbeit, Information, Material … wird der Durchsatz durch den Engpass bestimmt. Der Engpass oder das Bottleneck ist ein spezieller und zugleich der einfachste Fall eines Constraints, eine Begrenzung der Ressourcen.

In solchen Arbeitssystemen kommt es darauf an, am Engpass den maximalen Durchsatz zu erzielen und nicht den Fluss am Engpass durch Unterbrechungen stromaufwärts oder durch Stockungen stromabwärts zu unterbrechen. Der Fluss am Engpass kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Ressourcen vor und nach der engsten Stelle genügend Schutzkapazität (protective capacity) haben:

Ausgeglichener Fluss

Eine Faustregel der Theory of Constraints ist, dass die Schutzkapazität der Nicht-Engpassressourcen mindestens 20% über der Kapazität des Engpasses liegen sollte. Beim Upgrade für die TOC Gemeinschaft in Las Vegas gab Eli Goldratt eine Begründung dieser – aus Sicht der Kostenwelt vollkommen übertrieben erscheinenden – Regel.

Die Länge einer Warteschlange

Ausgehend von der Warteschlangentheorie ergibt sich für die Länge der Warteschlange vor einer Ressource (Bearbeitungsmaschine, Schalter …) etwa der folgende Verlauf:

Warteschlangenlänge

Da die Ankunftszeiten der Elemente in der Warteschlange und die Bearbeitungs­zeiten einer gewissen Schwankung unterliegen, steigt ab etwa 90% Auslastung der Ressource die Länge der Warteschlange steil an. Ressourcen vor und nach einer Engpassressource, die die Versorgung oder den Abfluss unterbrechen können müssen also deutlich unter 90% ausgelastet sein. Wenn die Auslastung der Nicht-Engpässe in den Bereich von 90% kommt, beginnen die Warteschlangen stark zu schwanken und nimmt damit die Instabilität des Systems zu.

Bei einer höheren Variation der Bearbeitungszeiten oder einer höheren Wahr­scheinlichkeit von Unterbrechungen können die erforderlichen Schutzkapa­zitäten noch höher als 120% sein. Die Ressourcen mit Schutzkapazität müssen in der Lage sein, Verluste aufzuholen bevor die Engpassressource unterbrochen wird und den Puffer vor der Engpassressource vor der nächsten Unterbrechung wieder ausreichend aufzubauen [1].

Die Länge der Wartezeiten von Aufträgen vor einer Ressource beeinflusst ausserdem direkt die Durchlaufzeiten der Aufträge. Kurze Durchlaufzeiten können aber zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil ausgebaut werden und bringen so mehr Aufträge, die die vermeintlich möglichen Kosteneinsparungen an Schutzkapazität bei weitem aufwiegen.

Achtung: Die Erweiterung des Engpasses im Zuge des laufenden Verbesserungs­prozesses (POOGI) der TOC führt dazu, dass die Schutzkapazität der Nicht-Engpässe relativ abnimmt. Wir müssen deshalb darauf achten, dass die erforderliche Schutzkapazität im System erhalten bleibt, wenn wir nicht in neue Schwierigkeiten kommen wollen.

[1]
vgl. dazu auch Cox, Schleier: Theory of Constraints Handbook; McGraw Hill 2010, S. 150f. Alles was über die Schutzkapazität hinausgeht, kann als Überkapazität gelten.

Ähnliche Beiträge:

Ein Kommentar zu “Schutzkapazität”

  1. Die Schildkröte und der Hase » Beitrag » wandelweb.de

    [...] S. 53, Anm. 1. Bei der Verkürzung von Wartezeiten muss aber darauf geachtet werden, nicht nötige Schutzkapazität zu [...]

Einen Kommentar schreiben:

*
To prove you're a person (not a spam script), type the security word shown in the picture. Click on the picture to hear an audio file of the word.
Click to hear an audio file of the anti-spam word