Wie man ein Unternehmen ruiniert

Paul.Bayer am 9. May 2009 um 19:36

Unter dieser Überschrift („Taking the Company down the Tubes”) zeigte W. Edwards Deming auf seinen Vier-Tages-Seminaren eine Abbildung seines Produktions­systems mit Mauern um die Teilprozesse:

Das Anti-Produktionssystem

Er kommentiert:

Wie das westliche Management sich selbst schadet

  • Jedermann wird in eine gegnerische Position gebracht.
  • Jede Person, Einheit, Abteilung wird gegeneinander in eine Rangordnung gebracht.
  • Werke werden gegeneinander ausgespielt.
  • Jeder Lieferant ist der Feind.
  • Jede Abteilung tut ihr bestes und kümmert sich wenig um die Auswirkungen auf andere.
  • Wenn etwas schief läuft, versuchen die Abteilungen sich gegen Schuldzuweisungen abzusichern.
  • Jede Gliederung wirft Produkte, Information und Dienstleistungen über die Mauer. „Soll doch der nächste selbst damit klarkommen. Ich habe meine Arbeit erledigt. Ich habe meine Anforderungen erfüllt.“ [1]

Ein Paradigmenwechsel ist nötig

Was Deming hier beschreibt, ist ein funktional organisiertes Management, in dem die Verwaltung der Funktionen und Silos dominiert und für das die Geschäfts­prozesse nachrangig sind. Diese Organisation lebt in Egoismen und Fürsten­tümern. Es ist diese Form von Management, die am Ende ist und die mit ihren Exzessen, völlig an den Bedarfen der Kunden und der Gesellschaft vorbei zu handeln, für die derzeitige große Krise verantwortlich ist.

Mit anderen Freunden und Kollegen habe ich mich oft gefragt, was die Verbreitung von Prozessverbesserungsmethoden oder -philosophien behindert. Es ist diese Fehlorientierung des gegenwärtigen Managements. Wenn ich meine Aufgabe, mein Business nicht als Prozess begreife, der bei den Bedürfnissen des Kunden beginnt und endet, brauche ich nicht wirklich Lean, Six Sigma oder TOC.

Wir müssen von dem alten Paradigma der tayloristischen Aufbauorganisation zu einer Prozessorganisation übergehen, um kundenorientierte, lebensfähige und handlungsfähige Unternehmen zu entwickeln und zu gestalten. Dann werden wir unsere Systeme und Prozesse natürlich verbessern. Das ist es auch, was Deming 1950 den japanischen Topmanagern mit seinem „Produktionssystem“ nahege­bracht hat:

Demings Produktionssystem

Von Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleitern müssen wir zu Prozessverantwort­lichen kommen. Bisherige Stabsfunktionen müssen in eine Prozessorganisation integriert werden. Manager müssen Nutzen schaffen und Wert erzeugen statt Macht und Organisation zu verwalten. Sind unsere alten, tayloristisch denkenden und organisierten Unternehmen in der Lage, diese Transformation zu bewältigen? Können wir umdenken? Nur so werden wir die Mauern und Silos wieder los.

[1]
W. J. Latzko, D. M. Saunders: Four Days with Dr. Deming, A Strategy for Modern Management Methods.– Addison Wesley, 1995; S. 38. (Das ist übrigens die beste Einführung in Demings Denken, die ich kenne, wirklich ein aufklärerisches Buch.)

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6 Kommentare zu “Wie man ein Unternehmen ruiniert”

  1. Marc Hersch

    Ich bin mir nicht bekannt, in Deutsch, aber ich war in der Lage zu lesen, Ihre neuesten Blog-Eintrag mit den Google-Übersetzer. Ihre Fraktals Kopf ist perfekt. Halten Sie sich die gute Arbeit und danke für die Aufnahme von meinem Blog (Drei-Sigma-Systems) auf der Blogroll! Marc

  2. Paul

    Hallo Marc,

    vielen Dank für Ihre Beiträge in der DEN-Mailingliste und auf Ihrem Blog. Ich hoffe der eine oder andere meiner deutschen Leser stößt so auf Ihre Arbeit … eine transatlantische Brücke, auch wenn Sie vermutlich mehr im Pazifik segeln ;-)

    Viele Grüße,
    Paul

  3. Hajo

    Hallo Paul,

    ich denke ein noch tiefergreifender Grund als die Fehlorientierung des Managements liegt in der Einstellung der Menschen an sich. Zu viele Menschen suchen zu häufig nach dem leichtesten Weg, sich nicht mit so unbequemen Dingen wie Selbstreflekion und Eigenverantwortung beschäftigen müssen. Silos und Abteilungmauern sind ein so wunderbar einfacher Weg, Verantwortung für Probleme nicht transparent zu machen (und sich dabei als Teil eines durchlaufenden Prozesses zu verstehen) sondern sie mit der üblichen “Die anderen sinds schuld” oder “Da können wir nichts machen” Einstellung irgendwo anders abladen zu können. Es fehlt einfach das von dir so oft zitierte “hansei”…

    Viele Grüße,

    Hajo

  4. Paul.Bayer

    Hallo Hajo,

    wie Deming auch bin ich der Meinung, dass das System mehr die Menschen prägt als die Menschen das System. Die negativen Verhaltensweisen, die Du beschreibst, sind in uns Menschen genauso „angelegt“ wie andere, wesentlich positivere. In welche Richtung wir uns entwickeln, welches Verhalten dominant wird, hat sehr stark mit dem System zu tun, in dem wir uns bewegen. Das Management von Silos und Machtstrukturen trägt sicher nicht zur Entwicklung unserer besten Züge bei.

    Wenn Du einen tieferen Grund suchst, weshalb sich die Sache so entwickelt hat, dann kann ich empfehlen, die Ethnologie in Betracht zu ziehen. Vieles, was wir in Organisationen sehen, sind Verhaltensweisen, die wir Menschen in hunderten von Generationen des Lebens in Stammesgemeinschaften entwickelt haben. Das hat Ray Immelman trefflich in „Great Boss, Dead Boss“ beschrieben.

    Aber wie auch immer, einige Unternehmen, Länder, Industrien zeigen uns, dass man das verändern kann. Nach dem zweiten Weltkrieg war zum Beispiel das japanische Top-Management bereit, diese Philosophie in Frage zu stellen und hat Deming zugehört. Die Ergebnisse kennen wir.

    Stehen wir heute wieder vor einer solchen Transformation? Ohne Hansei (tiefe Reflexion) wird das nicht gehen. Das sehe ich auch so.

    Viele Grüße,
    Paul

  5. Dieter Onken

    Hallo Paul,

    Meiner Ansicht nach sind wir schon laengere Zeit in einer solchen Transformation. Der Anfang war der Boersensturz im October 1987 und die gegenwaertige Banken und Immobilien Krise zeigen uns das wir in solch einer Transformation stehen.

    Auch jetzt muessen wir wieder die gegenwaertige Philsophie in Frage zustellen und aus der Situation lernen, sowie die notwendige konsequenz ziehen und danach zielbewusst handeln.

    Endgueltig muss aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt werden und nur so kommen wir aus der gegenwaertige Situation wieder heraus.

    Verantwortung zu uebernehmen ist eine schwierige Entscheidung, jedoch bringt sie sehr viel mit sich und im Endeffect entwickeln sich daraus sehr viel positive elemente mit denen wir besser leben koennen.

    Viele Gruesse

    Dieter

  6. Paul

    Hallo Dieter,

    die Krisen seit 1987 haben – glaube ich – nur gezeigt, dass eine Transformation unausweichlich ist. Nach den Finanzkrisen wurde jeweils versucht, das System der Bubbles wieder zu restaurieren. So auch jetzt. Deming hat schon vor 30 Jahren auf wachsende Handelsbilanzungleichgewichte, Verschuldung, Deindustrialisierung usw. hingewiesen. Wieweit müssen die Widersprüche noch anwachsen, damit wir etwas an den Ursachen ändern?

    Aber dass und wie wir die Art und Weise zu wirtschaften und zu leben grundsätzlicher ändern müssen, dass die Manager ihre Orientierung in Frage stellen müssen, ist bisher nur in wenigen Köpfen. Was mir derzeit fehlt, ist eben das gemeinsame Lernen und die gemeinsame Reflektion.

    Dass es uns damit gelingen könnte, die Transformation zu beginnen, davon bin ich überzeugt, auch dass das eine gute Sache wäre.

    Viele Grüße,
    Paul

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