Das Verbesserungsdilemma
Paul.Bayer am 6. July 2008 um 21:49(Update des Artikels am 12.12.2009)
In der anhaltenden Wirtschaftsflaute hat sich das Verbesserungstempo in vielen Unternehmen eher verlangsamt. Auf der anderen Seite wären deutliche Verbesserungen der Prozesse und des Produktangebots erforderlich. In Deutschland waren die Unternehmen mit Stellenstreichungen in 2009 eher vorsichtig. Aber für 2010 werden massive Kürzungen erwartet. Dahinter steht der folgende Konflikt:
- Prozessverbesserungen müssen in Kosteneinsparungen umgewandelt werden. Um die Kosteneinsparungen zu realisieren, müssen Arbeitsplätze abgebaut werden.
- Auf der anderen Seite können Prozesse nur verbessert werden, wenn sich die Mitarbeiter aktiv einbringen. Die aktive Beteiligung der Mitarbeiter erfordert aber, ihnen einen sicheren Arbeitsplatz zu bieten.
Ich stelle dieses Dilemma hier als TOC-Konfliktwolke [1] dar:
Das ist ein grosses Dilemma:
- Verzichte auf Verbesserung und die Wettbewerbssituation kann nicht gehalten werden. Damit stehen die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und die Arbeitsplätze in Frage.
- Nutze die Verbesserung nicht, um Kosten zu sparen, und die Wirtschaftlichkeit steht in Frage.
- Binde die Mitarbeiter nicht ein und kontinuierliche Verbesserung wird unmöglich.
Was sind die Annahmen hinter diesem Konflikt?
Aber: Aus dieser Notwendigkeit folgen zwei Ansätze zur Verbesserung: a) Angebotsverbesserung, um mit gleichen Aufwänden höhere Erlöse zu erzielen, b) verringerte Aufwände bei gleichbleibendem Angebot.
Aber: Wir nehmen hier an, dass wir nicht nicht mehr Umsatz erzielen können und dass das Arbeitsvolumen sinkt. Der Engpass liegt hier im Markt! Sind alle Ansätze zur Angebotsverbesserung ausgeschöpft?
Aber: Der sichere Arbeitsplatz muss nicht die Voraussetzung, er kann auch das Ziel der Prozessverbesserung sein. Wenn die Vorgehensweise schlüssig ist, dann sind die Mitarbeiter auch unter unsicheren Verhältnissen bereit zu Verbesserungen. Zum anderen ist auch eine herausfordernde Aufgabe eine wesentliche Motivation für das Engagement von Mitarbeitern.
Falsch: Die Einwände wurden schon genannt oder liegen auf der Hand.
Auswege
Auswege aus dem Verbesserungskonflikt sind also über nur Wachstumsstrategien zu erreichen. „Right-Sizing“ ist kein Ausweg sondern eine Entscheidung für eine Seite des Konflikts – mit allen negativen Folgen. Deswegen fokussieren Systemansätze wie die Theory of Constraints (TOC) oder die engpasskonzentrierte Strategie (EKS) auf Wachstum.
Was bedeutet das in der jetzigen Situation für Unternehmen, die auf die Situation nicht ausreichend vorbereitet waren und mit empfindlichen Absatzeinbussen konfrontiert werden? Die langfristige und ganzheitliche Sicht setzt auf Verbesserung und Wachstum. Soweit nur eben möglich muss deshalb Bedingung D’ erfüllt werden, um künftige Chancen für Wachstum und Verbesserung nicht zu opfern. Eine schlüssige Strategie, die auf Wachstum setzt und die von den Mitarbeitern verstanden und getragen wird, ist Voraussetzung für ihr Engagement für kontinuierliche Verbesserung.
Das ist der Hintergrund von Toyotas Verhalten bei Absatzeinbrüchen. Takeuchi, Osono und Shimizu schreiben im Harvard Business Review 06/2008 (The Contradictions That Drive Toyota’s Success):
Während der Finanzkrise in Asien 1997 sah Toyota’s Werk in Thailand vier verlustreiche Jahre ohne dass Arbeitsplätze abgebaut wurden. Die Anweisung dazu kam vom damaligen Präsidenten Hiroshi Okuda: „Senkt alle Kosten, aber rührt die Leute nicht an.“ Im August 1998 senkte Moodys Toyotas Kreditrating von AAA auf AA1 und berief sich dabei auf die Garantie zur lebenslangen Beschäftigung. Obwohl die Herabstufung Toyotas Zinszahlungen um 220 Mio $ erhöhte, sagten Toyotas Topmanager der Ratingagentur, dass sie ihre Zusage nicht aufgeben würden.